Hier das offzielle Entwickler Tagebuch von Jay Wilson:
Entwicklertagebuch – Teil 1
Jay Wilson, Lead Designer Dawn of War
Relic Entertainment
“Hi, ich heiße Jay Wilson und bin der Lead Designer des angekündigten Echtzeit-Strategiespiels Warhammer 40,000: Dawn of War; dies ist mein Entwicklertagebuch. Bei Relic hat der Lead Designer die Aufgaben, die Gameplay-Elemente eines Spiels zu entwickeln und in Zusammenarbeit mit dem Team sicherzustellen, dass die einmal vereinbarten Kernpunkte des Gameplays während der gesamten Entwicklungsphase eingehalten werden. Ich leite daneben das Design-Team, was bedeutet, dass ich auch dafür verantwortlich bin, dass das fertige Spiel nachher auch eine Menge Spaß macht. J In dieser Funktion bin ich vermutlich auch der richtige Ansprechpartner, wenn es darum geht, Ihnen zu erzählen, wie es zu Dawn of War gekommen ist und wie unsere Strategie aussieht, den Hintergrund des Warhammer 40,000-Universums zu verwenden, um ein eindrucksvolles RTS-Spiel zu entwickeln.
Dawn of War erblickte das Licht der Welt bei einem Anruf zwischen Relic und THQ, als unsere Geschäftsführung und deren Geschäftsführung miteinander besprachen, auf welche Weise wir zusammen ein Projekt auf die Beine stellen könnten und worum genau es sich dabei handeln sollte. Da THQ die Vermarktungsrechte der Warhammer 40,000-Lizenz für Computer- und Videospiele hält, lag eine Entwicklung auf Grundlage dieser Lizenz auf der Hand. Dabei wusste THQ anfangs gar nicht mal, welche Begeisterung wir bei Relic für Warhammer 40,000 haben. Mehr als ein Dutzend Hardcore-Fans arbeiten hier, mich eingeschlossen, sodass Relic sicher die perfekte Wahl für ein Echtzeit-Strategiespiel mit dieser Lizenz ist. Also kam unser CEO, Ron Moravek, zu mir und fragte: “Wie würde es dir gefallen, ein Warhammer 40,000 RTS-Spiel zu machen?”
Ich antwortete spontan: “Space Marines schürfen keine Mineralien!”
Für alle, die mit dem Warhammer-Universum nicht vertraut sind, sei gesagt, dass es 40.000 Jahre in der Zukunft angesiedelt ist. In einer düsteren und grausamen Zeit, in der die Menschheit im gesamten Universum permanent Krieg gegen verschiedene Furcht erregende Feinde führen muss. Das Spiele-Universum bildet den Hintergrund für ein Tabletop-Strategiespiel, bei dem Spieler Miniaturfiguren der Kampfeinheiten bemalen und damit fantastische Schlachten schlagen. Dies ist mein Hobby. Die Idee, daraus ein Echtzeit-Strategiespiel zu machen, erschien mir auf den ersten Blick nicht besonders sinnvoll. So viel an Warhammer 40,000 passt scheinbar nicht zu einem RTS-Spiel: wie verwandelt man ein rundenbasiertes Tabletop-Game in ein Echtzeitspiel?!? In diesem Moment begriff ich natürlich sofort, dass – wenn ich weiter redete – wir das Spiel vielleicht gar nicht machen würden, also hielt ich meine vorlaute Klappe und begann mit der Arbeit!
Nachdem ich den ersten Schreck überwunden hatte, setzte ich mich mit den anderen Designern, Grafikern und Programmierern zusammen, um herauszufinden, was wir aus diesem Projekt machen könnten. Wir diskutierten viel darüber, wie wir uns die zukünftige Entwicklung des Echtzeit-Genres vorstellten und welche Art von Echtzeit-Strategiespiel wir schon immer spielen wollten. Und wir erkannten, dass diese Vorstellungen mit dem Warhammer 40,000-Universum äußerst kompatibel waren.
Wir waren uns einig, dass wir ein stärker Taktik-orientiertes Spiel haben wollten. Ein Spiel, das mehr auf das eigentliche Kampfgeschehen und weniger auf das Ressourcen-Management konzentriert ist. Ein Spiel, bei dem wir das Erscheinungsbild unserer Armeen individuell bestimmen können. Ein Spiel, in dem fantastische Schlachten, Einheiten und Fähigkeiten in einer vom Krieg zerrütteten Umgebung angesiedelt sind. Bei allem, was wir realisieren wollten, rief uns eine innere Stimme ständig ‘Warhammer 40,000’ zu – und was noch besser war: die Ideen hörten sich für jeden, mit dem wir darüber sprachen, richtig cool an. Auch für diejenigen, die mit Warhammer nichts anfangen konnten.
Nach den ganzen Diskussionen begannen wir zu begreifen, dass die eigentliche Stärke des Warhammer 40,000-Universums eigentlich nicht beim Tabletop-Spiel liegt. Es ist ein großartiges Spiel, aber Warhammer-Fans kaufen, bemalen und stellen Miniaturen zusammen, die viele hundert Dollars wert sind, bevor sie überhaupt mit dem eigentlichen Spiel beginnen. Warum machen sie das? Die Antwort lautet: weil sie die Hintergrundgeschichte, die Einheiten, die verschiedenen Welten klasse finden, die in einer der abwechslungsreichsten Fantasy-Welten zusammenkommen, die jemals erdacht wurde. Der wichtigste Grund, warum jemand das Tabletop-Game spielt, ist das Warhammer-Universum selbst. Wenn man das berücksichtigt und ein Spiel entwickelt, dass glaubwürdig in dieses Universum eingebettet ist und zugleich Spaß macht, dann muss dabei einfach ein großartiges Spiel herauskommen. Die Antwort auf unsere ursprüngliche Frage lautete also: nicht einfach das Warhammer 40,000-Universum in ein Echtzeit-Strategiespiel zu pressen, sondern ein Echtzeit-Strategiespiel im Warhammer 40,000-Universum anzusiedeln!
In unserer Vorstellung ist das Warhammer 40,000-Universum geprägt von gigantischen Armeen, die auf dem Schlachtfeld aufeinanderprallen und sich mit bizarren Waffensystemen gegenseitig auseinander nehmen, von absolut imposanten Helden, von Panzern, die größer als Häuser sind und von Wesen, die in einem unbegrenzten Krieg zusammenstoßen. Dies ist zu unserem Schlachtruf für ‘Dawn of War’ geworden. Nachdem wir uns auf diese elementaren Dinge geeinigt hatten, nahm das Projekt endgültig die Formen an, von denen wir wussten, dass sie ein großartiges Spiel ergeben werden.
Ich rechne damit, dass ein paar Warhammer 40,000-Fans sich nicht mit dem zufrieden geben werden, was wir auf die Beine gestellt haben, dass sie nur eine direkte Umsetzung des Tabletop-Spiels akzeptieren würden. Und ich glaube nicht, dass wir sie jemals überzeugen können. Aber all diejenigen, die schon immer davon geträumt haben, dass ein Stück des Universums, das sie kennen und lieben gelernt haben, zum Leben erweckt wird, werden von den Ergebnissen begeistert sein. Und all diejenigen, die Warhammer 40,000 noch gar nicht kennen, sollten sich auf die detailliertesten Frontkämpfe einstellen, die sie jemals in einem Echtzeit-Strategiespiel gesehen haben!”
(ms)
Entwicklertagebuch – Teil 2
Chris Degnan, Designer
Relic Entertainment
Hallo, ich bin Chris Degnan, Designer von Warhammer 40,000: Dawn of War, und ich möchte Ihnen heute Einblick in mein Entwicklertagebuch geben. Als Teil des Design-Teams von Dawn of War arbeite ich eng mit Jay (unserem Chef) und den anderen Designern zusammen. Einer der für mich interessantesten Aspekte bei der Spielentwicklung war immer schon der kreative Prozess, bei dem überlegt und entschieden wird, welche Ideen und Details Teil eines neuen Spiels werden sollen. Und genau darum soll es in diesem Entwicklertagebuch gehen.
Der kreative Prozess beginnt mit der Festlegung der Kerninhalte und -ziele des Spiels. Im konkreten Fall standen uns dafür zu Beginn sowohl die fantastische Warhammer 40,000-Lizenz – mit ihren stahlharten Kriegern, dicken Waffen und blutrünstigen Gegnern – als auch unsere eigenen Konzepte zur möglichen Gestaltung eines Echtzeit-Strategiespiels zur Verfügung. Also entwickelten wir auf Grundlage unserer Konzepte und der Lizenz die Kernbestandteile des Gameplays. Wir wollten ein Spiel erschaffen, bei dem das martialische und actionreiche Schlachtgeschehen im Mittelpunkt steht und es in einer Weise in Szene setzen, wie es kein Echtzeit-Strategiespiel zuvor gemacht hat. Außerdem war es unser Ziel, mit dem Spiel auch Gelegenheitsspieler anzusprechen, ohne die begeisterten RTS- und Warhammer 40,000-Fans zu verprellen. Kurz: wir wollten das Spielgefühl und die geballte Energie des Warhammer 40,000-Universums einfangen und zugleich ein ansprechendes und unterhaltsames Ressourcen-System auf die Beine stellen.
Nachdem das Kernkonzept feststand, wurde es um zahlreiche Gameplay-Elemente ergänzt und wir gingen zur „Konzept-Testphase“ über. Dazu entwickelten wir einen Prototypen des Spiels, bei dem sowohl ‚Look and Feel’ sowie die grundsätzlichen Gameplay- und Kernfunktionen bereits vorhanden waren. Ziel dieser Testphase ist es, herauszufinden, ob unsere Ideen auch in der Praxis funktionieren und Spaß machen, bevor wir ein komplettes Team mit der Umsetzung beauftragen und mehrere Jahre Arbeit in das Projekt investieren. In dieser frühen Phase versuchen wir die Macken im ursprünglichen Konzept auszuräumen und die Dinge zu kennzeichnen, die bei der weiteren Entwicklung möglicherweise problematisch werden könnten und Änderungen notwendig machen.
Unser Prototyp enthielt mit den Space Marines nur eine der vier im fertigen Spiel enthaltenen Streitkräfte und auch nur einen Bruchteil ihrer späteren Einheiten und Gebäude. Aber mit dieser Hand voll Einheiten konnten wir bereits die grundlegenden Spielelemente umsetzen und überprüfen. Mit der Space Marine Einheit konnten wir die Spielbarkeit der Squad-basierten Einheitenkontrolle, des Nachschubs auf dem Schlachtfeld, der Aufrüstbarkeit von Waffen (zu diesem frühen Zeitpunkt nur ein Raketenwerfer) testen und die unterschiedlichen Arten der Infanteriekämpfe überprüfen (Schusswaffen auf größere Entfernung und Messer im Nahkampf). Wir konnten den Aufbau einzelner Gebäude sowie den Kampf zwischen Fahrzeugen und Infanterie ausprobieren. Außerdem hatten wir die Möglichkeit zu überprüfen, ob das Konzept unseres neuen Ressourcensystems mit den ‚strategischen Punkten’ auch in der Praxis funktioniert.
Alles in allem verlief die Konzept-Testphase erstaunlich gut. Ausgestattet mit einem spielbaren Beispiel von dem, was wir umsetzen wollten, haben wir dann weitere Leute ins Team geholt und die Entwicklung des Spiels sorgfältig geplant. Bei der Programmierung eines Prototyps steht vor allem die Zweckmäßigkeit im Vordergrund, sodass wir viele Teile dieser frühen Spielversion noch einmal ganz neu machen mussten. Dadurch stellten wir sicher, dass alle Grafiken, Animationen etc. und alle Gameplay-Features genau so umgesetzt werden, wie wir sie uns ursprünglich ausgedacht haben, ohne dass sie durch die Beschränkungen des Prototyps begrenzt worden wären.
Wenn die Entwicklung von der Planung in die Produktion übergeht, verlagert sich der kreative Prozess von der offenen Phase der Ideensammlung auf konkrete Problemlösungen und eine möglichst effiziente Verwendung der zur Verfügung stehenden Ressourcen. Zu diesem Zeitpunkt beginnen die Programmierer damit, die endgültigen Features zu erstellen, und die Designer entwerfen die Modelle und Animationen, die zur Freigabe eingereicht werden. Besonders spannend wird es, wenn die fertigen grafischen Elemente mit dem Programmcode zusammengefügt werden und das eigentliche Spiel erkennbar wird. Während dieser Zeit werden auch alle Features immer wieder getestet und dahingehend überprüft, ob sie unseren ursprünglichen Zielen entsprechen, die wir in der Konzeptphase definiert hatten. Der kreative Prozess ist im Übrigen nicht allein auf das Spiel selbst beschränkt, da wir auch bei der Entwicklung der Werkzeuge, mit denen das Spiel gestaltet wird, unsere Vorschläge einbringen.
Ein Beispiel dafür ist der „Attribut-Editor“, den die Programmierer für die Designer erstellt haben, damit diese die Eigenschafts- und Fähigkeitswerte aller Einheiten und Gebäude im Spiel möglichst schnell selbst ändern können, ohne dass sie eigens einen Programmierer mit den Änderungen beauftragen müssen.
All die harte Arbeit und das genaue Planen zu Beginn der Entwicklung zahlen sich am Ende schließlich aus, wenn wir feststellen, dass das Spiel in seiner frühen Phase bereits genau dem entspricht, was wir uns von Anfang an vorgestellt haben. Dank der Arbeit, die die Grafiker und Programmierer in das Projekt gesteckt haben, werden die eindrucksvollen Schlachten, Nahkämpfe und tollen Spezial-Attacken mit ihren Special Moves zum Leben erweckt. Warhammer 40,000-Fans und Neueinsteiger werden gleichermaßen spüren, wie einstürzende Gebäude den Boden erzittern lassen, wie Krieger in Energierüstungen sich Furcht erregenden Aliens entgegenwerfen und wie grausige Kreaturen, die aus dem Warpraum beschworen wurden, über das Schlachtfeld stampfen und ihre Gegner in Stücke reißen.
Wir haben uns sehr stark auf das ‚Look and Feel’ des Spiels konzentriert, ohne die taktischen Elemente zu vergessen. Man kann z. B. die Überlegenheit einer gegnerischen Spezialeinheit leicht aushebeln, indem man sie in einen Nahkampf verwickelt, oder man verwendet die Tarnfähigkeiten eigener Einheiten, um sich einen schnellen Überblick von der Lage in der gegnerischen Basis zu verschaffen. Der Spieler hat die Wahl, ob er lieber aus einer Position der wirtschaftlichen Stärke heraus agiert, indem er möglichst viele Kontrollpunkte auf dem Schlachtfeld erobert und verteidigt, oder ob er seine begrenzten Ressourcen auf die Entwicklung einiger ausgewählter Einheiten konzentriert. Er kann seine bestehenden Truppen beständig mit Nachschub versorgen oder lieber eine neue Angriffswelle vorbereiten.
Die anfängliche Ruhe, wenn der Spieler zu Spielbeginn das Schlachtfeld in Dawn of War betritt, täuscht darüber hinweg, dass nur wenige Augenblicke ein wildes Kampfgeschehen toben wird! Noch während die Baueinheiten damit beschäftigt sind, die ersten Gebäude zu errichten, marschieren erste Infanterie-Trupps los, um Kontrollpunkte und Energieressourcen zu sichern. Kurz darauf übernimmt die Kommandoeinheit der jeweiligen Streitmacht die Kontrolle und führt den ersten Angriff an. Auf der Suche nach dem entscheidenden Vorteil wird der Spieler es entweder mit einer Überzahl an Truppen, mit Spezialfähigkeiten oder der Weiterentwicklung von Waffen versuchen, um letztlich den Sieg davonzutragen. Schließlich entwickelt sich ein Wettlauf um die Sicherung weiterer Kontrollpunkte und Ressourcen, während die bereits existierenden Truppen versorgt und um neue Einheiten verstärkt werden müssen, um die Anstrengungen des Gegners zu neutralisieren. Kurz darauf rollen die ersten Fahrzeuge über das Schlachtfeld, und vielleicht gelingt es einer der Parteien, den Gegner unvorbereitet zu überraschen und dessen schlecht gegen diese Art der Bedrohung ausgestatteten Infanterie-Einheiten zu dezimieren. Aber schon bald wird der Gegner Einheiten ins Feld führen, um den eigenen Nachteil auszugleichen. Und es wird nicht lange dauern, bis der endgültige Sieg davon abhängt, wem es besser gelingt, die eigenen Ressourcen zu verteidigen und die Truppen zu verstärken, während man zugleich versucht, dem Gegner diesen Luxus zu verweigern. Die Niederlage kommt dann in der Regel in Form einer überwältigenden Übermacht monströser Maschinen und Horden von bewaffneten Kriegern.
Das Referenzmaterial aus dem Warhammer 40,000-Universum, das uns seit Beginn des Projekts zur Verfügung stand, war überwältigend, und wir konnten es wunderbar in unser Spiel umsetzen. Mit einem so dynamischen und detaillierten Spiele-Universum zu arbeiten, war eine absolut fantastische und lohnende Erfahrung.
(ms)